Die Vorbereitung auf meinen Herbstmarathon laufen auf Hochtouren. Früher und heute sind für mich Trainingspartner und eine angenehme Trainingsgruppe wichtige Wegbegleiter. Die Läufe sind dann kurzweiliger und der Ansporn, mit den Jüngeren und Schnelleren mitzuhalten ist immernoch bei mir vorhanden. Genauso wie die Lust auf Belastungseinheiten, also Tempoläufe. Dann heißt es immer: „Arschbacken zusammenkneifen“.
Dann gibt es allerdings auch diese Tage, an denen es auch mir schwer fällt mich aufzuraffen. Tage an denen ich keine große Lust verspüre zu laufen. Würde nicht im Herbst der Marathon anstehen, dann würde ich in solchen Momenten pausieren. Auf die Couch, Füße hochlegen. Oder irgendetwas anderes. Hauptsache, nicht in den Wald. Doch zum jetzigen Zeitpunkt erlaube ich mir solche Hänger nicht. Umso wichtiger ist es deswegen jetzt, dass ich von ausgesuchten Trainingspartnern motiviert werde. Wenn ich mich darauf freue, nette Leute zu treffen, dann steigt auch die Lauflaune wieder an.
Drei gute Trainingswochen liegen jetzt hinter mir, auch, wenn einige mentale Tiefpunkte dabei waren dabei. Doch in diesen 21 Tagen war es faszinierend zu spüren, dass mein Körper immer noch zu erstklassigen Einheiten fähig ist. Zur Erinnerung: Im Oktober werde ich fünfzig Jahre alt.
Die Trainingspartner als Motivationsstütze
Seit vielen Jahren gebe ich immer dienstags Lauftraining für die Triathleten des DSW Darmstadt. Am 8. Juli stand für die Gruppe 8 bis 10 mal 800 Meter auf dem Programm mit jeweils 200 Meter Trabpause. Für mich hieß es: 12 Mal. Zum Glück war es an diesem Tag nicht so heiß, zusätzlich kam etwas Wind auf, die Bedingungen waren also erträglich. Vor dem Training war ich allerdings müde und musste mich nochmal für eine halbe Stunde hinlegen. Ich kam nicht in die Gänge, war für das Belastungstraining nicht übermäßig motiviert und dachte: Das wird heute nichts.
In solchen Situationen hänge ich mich gerne an eine Gruppe und hoffe, „mitschwimmen“ zu können. Also im Windschatten von meinen Laufpartnern gezogen zu werden. Wichtig für mich ist dann immer, die erste Belastung nicht zu schnell zu starten. Mein Glück an diesem Abend war, dass meine liebe Athletin Franziska Baist und Triathlet Hannes – die sich beide auf den Mainova Frankfurt Marathon vorbereiten – mittrainiert hatten. Franziska, die Schnelle, durfte vorne weglaufen, ich dazwischen, Hannes hinterher.
Franzi wollte allerdings den ersten Achthunderter los brettern, ich musste sie deswegen zurückpfeifen, weil eine zu schnelle erste Belastung den Rest der Einheit verhageln kann. Die Einheit habe ich nur überstanden, weil ich „hinterherlaufen“ durfte. Wir haben uns ziemlich schnell auf 2:52 bis 2:54 Minuten für die beiden Stadionrunden eingependelt. Hätte ich Franzi nicht gehabt, ich wäre deutlich langsamer gelaufen und auch nicht zwölfmal. Nach dem fünften hat sie uns gefragt, ob jemand von uns vor will. Wir beide haben dankend abgelehnt und wir waren froh, hinterherlaufen zu dürfen. Sie nahm deswegen an, dass wir aus der hinteren Position drücken und schieben und dadurch ein höheres Tempo erzwingen wollten. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Wie unterschiedlich die Empfindungen sein können ?
Das zweite Belastungstraining in der Woche stand am Freitag darauf an – ich hatte mir ein kerniges Programm auferlegt: viermal 3000 Meter. Sowas macht man besser nicht alleine. Also habe bei meinem Trainingskamerad Rolf Ciesielski angefragt, ob er Energie hat, mich zu unterstützen. Für ihn war es die erste härtere Einheit nach seiner Teilnahme beim diesjährigen Ironman Frankfurt.
Rolf ist für alle immer ein unkomplizierter Trainingspartner. Er könnte stets schneller laufen, passt sich aber gerne dem jeweiligen Laufpartner an. Für mich ist es deswegen hilfreich, jemanden an der Seite zu haben, der mich durch so eine intensive Einheit begleitet. Das war eine gute und hilfreiche Entscheidung, denn die Einheit konnte ich dank seiner Begleitung verhältnismäßig mühelos durchziehen. Wir sind auf einer leicht welligen Pendelstrecke im Wald gelaufen. Zwölf Kilometer Tempo. Das Weizenbier danach (für mich ohne, für Rolf nur mit Alkohol) hat gezischt. Das wundert aber auch nicht.
Doch der Lauftag war danach für mich leider noch nicht zu Ende. Wie jeden Freitagabend durfte ich beim Marathonprojekt dann noch Training halten. Eine Stunde Rumpfstabilisation mit Bällen als Hilfsmittel. Anschließend musste die Gruppe noch 7 Kilometer laufen – ich konnte mich davor nicht drücken und bin mit müden Beinen mitgeschlichen.
Das Marathonprojekt – Ein Projekt mit Herz und Seele
Der nächste Tag war dann auch kein Wellnesskuscheln. Im Rahmen des Frankfurter und Darmstädter Marathonprojektes stand am Samstag der Zweieinhalb-Stundenlauf auf dem Programm.
Dort bin ich locker 14 Kilometer mitgelaufen, weil ich die erste Gruppe betreut habe. Anschließend habe ich die Begleitung auf dem Rad fortgesetzt. Dafür habe ich brav mein nassgeschwitztes Oberteil aus- und ein trockenes angezogen. Sogar eine Mütze setzte ich mir auf. Blöd war nur, dass ich meine nasse Laufhose nicht gewechselt habe. Das rächte sich. Zum Schluss habe ich auf dem Rad gefroren, und mir war schnell klar, dass ich mich leicht verkühlt hatte. In der Nacht, beim Schlafen, kamen Schwitzattacken und beim langen Lauf am Sonntag habe ich schon gemerkt, dass ich mir etwas eingefangen hatte. Es lief zäh. Der Schritt war schwer. Aber immerhin 26 Kilometer geschafft. Aber dem Körper tat das nicht gut.
Die Folge: Montag hatte ich Schnupfen und ich war genervt. Dank meiner Kollegin Christina Dörr, die mich beim Marathonprojekttraining vertreten hat, bin ich nach der Arbeit sofort heimgefahren, habe Vitamin C, Zink und Aspirin eingeworfen – und mich auf die Couch gelegt. Ruhe war geboten.
Doch schon am Dienstag stand die nächste Belastung auf dem Programm. Acht Mal 1000 Meter für meine Mitläufer, zehn Mal 1000 Meter für mich. Zunächst wollte ich mal schauen, wie der erste Belastungskilometer läuft und dann entscheiden, ob ich langsamer laufe. Wir waren zu siebt. Zwei Triathleten sind vorneweg gebrettert, wir anderen zusammen hinterher. Der erste Tausender lief gut, und ich habe gemerkt, dass meine Beine schnell, also locker sind. Die Schlappheit vom Vortag war wie verflogen. Wunderbar. Beim nächsten Tausender in der Gruppe habe ich aufs Tempo gedrückt, und wir sind immer schneller gelaufen.
Dieser Dienstag war eine grandiose Einheit, solche Belastungen sind gut für Physis und Psyche – sie stärken das Selbstbewusstsein. Ich war ein bisschen stolz, so ein Programm geschafft zu haben.
Der Hausener Wald – Volkslauf
Und dann kam der 28. Juli, Wettkampf in Hausen und sechste Station des Rosbacher Main-Lauf-Cups. Für die 55 Marathonprojekt-Teilnehmer*innen und mich Standortbestimmung – entweder über 10-Kilometer oder ebenfalls über Halbmarathonstrecke. Ich hatte aber Bammel. Denn der leichte Schnupfen meldete sich ausgerechnet am Vortag zurück. Verdammt! Meine bewährten Gegenmaßnahmen am Samstag: viel getrunken und Vitamine eingeworfen. In solchen Situationen heißt es Ruhe bewahren und das Beste daraus machen.
Und schließlich kam der Sonntag, der Renntag. Anna Herzberg von Spiridon Frankfurt lief von Beginn an vorneweg, Kerstin Bertsch, Lena Becker, meine Athletin Franziska Baist und ich bildeten die Verfolgergruppe. Die ersten 5 Kilometer liefen bei mir etwas holprig, und ich war froh, dass wir nicht zu schnell gestartet waren und ich mich an die Gruppe heften konnte. Bei Kilometer 8 griff ich zum ersten Energie-Gel. Ich hatte Schwierigkeiten die Lasche aufzureißen – Kerstin half, und ich konnte die süße Power-Pampe herunterschlucken. Bis zum Berlin-Marathon muss ich diesen Handgriff noch üben. Doch heute ging es um den Hausener Halbmarathon, und es war erstaunlich: Nachdem das Gel im Magen war, wurden meine Schritte mit jedem Schritt leichter. Nanu?
Aufgrund der langen Geraden auf der Strecke hatten wir Anna Herzberg immer mal wieder im Blick. Sie lag inzwischen ein gutes Stück vor uns. Unsere Gruppe hatte sich zwischenzeitlich verkleinert, Kerstin drückte auf das Tempo, Franziska und ich setzen nach. Der Abstand zu Anna verringerte sich, sie war aber immer noch deutlich vor uns.
Bei Kilometer 15 griff ich zum zweiten Gel – diesmal war es eine andere Marke, und ich konnte die Verpackung selbstständig öffnen. Hurra. Meine Beine fühlten sich immer noch gut an, der Energieschub war deutlich zu spüren. Diesmal drücke ich aufs Tempo und lief Meter für Meter an Anna heran. Zu diesem Zeitpunkt war ich die einzige Verfolgerin, der Rest meiner Gruppe konnte nicht mehr folgen. Bis zum Ziel waren es noch sechs Kilometer, ich hatte Zeit genug, mir eine Taktik zu überlegen. Zwei Varianten wägte ich ab: Beizeiten einen langen Schlussspurt anziehen, oder eine kurze, knackige Attacke kurz vor dem Ende starten?
Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit. Auch aus dem Grund, weil ich wusste, dass wir im Stadion noch 500 Meter zu laufen hatten und im Ziel viele meiner Schützlinge und Freunde auf mich warteten. So etwas ist für mich motivierend, vor allem, wenn ich schnelle Beine habe. Während ich an Anna heranlief, war ich in Gedanken bei meinen früheren, erfolgreichen Wettkämpfen. Solche Gedanken motivieren mich und helfen mir, dass ich mich darauf fokussiere, bis ins Ziel alles zu geben. Für viel Selbstvertrauen sorgte zudem das gute Training der vergangenen Wochen. Der Schnupfen war schon längst kein Thema mehr – ich hatte nur noch den Willen, das Rennen zu gewinnen.
Ich wartete bis 300 Meter vor dem Ziel zog dann meinen Schlussspurt an. Wer im Duell Frau gegen Frau aus der hinteren Position angerauscht kommt, hat es immer leichter, weil die Gegnerin nicht das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hat. Sie weiß nicht, wann die Kontrahentin dahinter ihre Attacke ansetzt. Und so war es auch: Mein Antritt war unwiderstehlich. Klar, ich wollte gewinnen, und wer mit aller Macht will und fühlt, dass auch sein Körper dafür bereit ist, der schafft es. Sieg nach 1:23:57 Stunden!
Es gibt für mich heute zwei Arten von Rennen. Die einen möchte ich auf auch meine „alten Tage“ gewinnen. Dann gibt es wieder Wettkämpfe, da bin ich für meine Mitläufer*innen Tempoläufer bis ins Ziel oder zu einer Bestzeit, mein persönlicher Erfolg spielt hier keine Rolle. Welche Variante ich wähle, hängt von meinem jeweiligen Trainingszustand ab und welches persönliche Ziel ich verfolge. In der Vorbereitungsphase auf den Berlin-Marathon geben mir solche Wettkämpfe die nötige Motivation für meine noch kommenden Einheiten.
Bedanken möchte ich mich bei meinen Mitläuferinnen. Auch hier wieder die Erkenntnis, dass wenn man zusammenläuft, die Kilometer kurzweiliger sind und man sich das Rennen um einiges leichter gestalten kann. Das macht den Weg bis zu dem Punkt leichter, ab dem man dann nur noch mit und gegen sich kämpft – und gegen die Einsamkeit des Langstreckenläufers anrennt.
Nach wie vor habe ich Spaß dabei, die Lauf-Lust ist auch nach 40 Jahren nicht abhandengekommen.
Im August geht es nun mit Lauffreunden für neun Tage nach Südtirol. Genusseinheiten, Landschaftsläufe, Läufe für die Seele stehen auf dem Programm. Mein Selbstbewusstseins-Konto habe ich ja bereits prall gefüllt.
Glückwunsch an alle Finisher beim Hausener Volks-Waldlauf!
Trainingsplan KW28-KW30