18 Jahre danach: Ich stehe wieder unterm Messeturm

Der Rennsonntag steht vor der Tür, man spürt die wachsende Marathonbegeisterung in Frankfurt – und mir geht es genauso. Denn 18 Jahre nach meiner Premiere über die 42,195 Kilometer werde ich am Sonntag ebenfalls an der Startlinie stehen.

Es war damals der 28. Oktober 2001, und es war ebenfalls in Frankfurt. Im Folgejahr habe ich dann meine Leistungssportkarriere beendet und als Eventmanagerin bei motion events angefangen, der Agentur, die den Frankfurt Marathon bis heute veranstaltet. Zufall oder Fügung? Jedenfalls ist mein Laufleben eng mit diesem Lauf verbunden.

Mehr als anderthalb Jahrzehnte werde ich also wieder am Messeturm losrennen, vorbei an der Alten Oper, hinaus nach Höchst und wieder zurück. Warum? Es ist mein 50. Geburtstag. Für mich als leidenschaftliche Läuferin ist dieser Lauf eine Herzenssache. Seit nun mehr 17 Jahre bereite ich als Trainerin Läuferinnen und Läufer auf den Frankfurt Marathon vor. Jahr für Jahr habe ich unzählige Menschen mit strahlenden Gesichtern in die Festhalle einlaufen sehen. Freudentränen sind geflossen, es gab das berühmte Gänsehautgefühl und viele spezielle Momente mit meinen Athleten, die ich nicht missen möchte.

Frankfurt sollte für mich ein Genusslauf sein. Schnell wollte ich ja vor drei Wochen in Berlin laufen, doch in der Vorbereitung auf das Rennen hatte ich mir leider einen Muskelfaserriss und eine fortgeschrittene Sehnenansatzreizung (Altlasten) im hinteren Oberschenkel zugezogen. Der Profisportler steckt immer noch in mir. Ich kann mich wie früher quälen und nehme mir zu wenige Pausentage. Was ich meinen Athleten predige („Pausentage sind auch Trainingstage“) habe ich selbst zu wenig beachtet. Es lief einfach zu gut und dann will jemand wie ich zuweilen zu viel.

Am 15. September bin ich noch 37:36 Minuten über 10 Kilometer gelaufen. Doch danach streikte die Muskulatur und es folgten vier Wochen Laufpause. Das war die Höchststrafe für mich. Die Diagnose ließ nichts Gutes verheißen. Und die Frage war: Schaffe ich es bis zum 27. Oktober so zu genesen, dass ich 42 Kilometer laufen kann?

Ich habe vier Wochen brav die Füße stillgehalten. Ich gebe zu, sowas fällt mir verdammt schwer. Doch als dann der Marathon in Berlin gestartet wurde war es vorbei mit der Selbstbeherrschung. Meine schlechte Laune erreichte den Tiefpunkt. Bis Samstagabend war meine Stimmung noch gut, ich habe tapfer keine Träne verdrückt, es mit Haltung genommen. Doch am Rennsonntag zogen in mir die Gewitter-Wolken auf, ein guter Freund musste tapfer meine Zickigkeit ertragen.

Einen ersten vorsichtigen Laufversuch habe ich dann vor knapp zwei Wochen unternommen. Neun Kilometer im Schnecken-Tempo, ich lief wie auf Eiern. Wackelig, unsicher. Aber ich war froh, es einigermaßen geschafft zu haben. Sonntag dann ein erneut lockeres Traben, aber im Kopf der nervende Gedanken: Wie soll ich am 27. Oktober nur einen Marathon laufen? Ich möchte mich aber von solchen negativen Gedanken nicht beeinflussen lassen. In dieser Hinsicht bin ich ein positiv denkender Mensch: Locker bleiben und nach vorne blicken, heißt es immer.

Vorige Woche habe ich erneut ein MRT vom lädierten Bein machen lassen. Ich möchte nicht riskieren, dass die Sehnen am hinteren Oberschenkel abreißen. Die gute Nachricht: Ich habe vom Arzt das „Go“ bekommen. Ich darf laufen. Und wie ihr euch vorstellen könnt, ist mir ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Die letzten Einheiten liefen wie bestellt deutlich besser. Eine kleine Belastung bin ich vorsichtig gelaufen, um zu testen, ob ich an der Seite meines Schützlings Thomas Zampach einen Fünf-Minuten Schnitt laufen kann. Das ging, allerdings weiß ich nicht, wie lange ich das Tempo auch im Rennen an seiner Seite durchhalten werde. 20 Kilometer? 30? 40? Es fehlen mir jetzt die langen Trainingsläufe. Doch ich werde alles geben und solange mitlaufen, wie ich das Bein belasten kann. Ansonsten muss ich Thomas ziehen lassen, mein Rennen laufen. Die Festhalle ist auch für mich das Ziel des Tages. So wie für zehntausende Läufer an diesem Tag auch. Vielleicht werde ich bis dahin so leiden wie viele im Feld. Und ganz sicher werde ich dann genauso glücklich sein, wenn ich es trotzdem bis auf den roten Teppich geschafft habe. 18 Jahre danach…