Ein Erfahrungsbericht von Skylinerunner Ulli Löhr
Auf den Punkt gebracht: ich hatte schlichtweg nichts mehr zum Anziehen, außer ein Shirt in XXL und eine Jeans in Größe 58. Das war dann auch das Startsignal.
Sport war eigentlich immer ein Thema
Seit frühester Jugend war Sport eigentlich immer ein Thema: Fußball habe ich bis zur A-Jugend gespielt, allerdings immer als Torwart. Während die Feldspieler im Training läuferisch ihre Runden drehten, bekamen wir Torleute das Spezialtraining.
Nebenbei, auch durch meinen Vater bedingt, habe ich mit den Tischtennisspielen angefangen. Hier schaffte ich es im weiteren Verlauf immerhin in die Bezirksoberliga.
Auch während meiner 12-jährigen Bundeswehrzeit stand Sport wöchentlich auf dem Dienstplan. Der Fußball nahm sein Ende und der Tischtennissport blieb. Auch begannen hier so langsam meine verschiedenen Tätigkeiten als Funktionär und Trainer.
Der Moment des Umdenkens
Aber das Leben verläuft nicht immer gradlinig und ohne Probleme und so stand ich eines Tages wirklich nur noch, wie oben beschrieben, mit einem passendem Shirt und einer passenden Hose und 128 kg Eigengewicht vor dem Spiegel.
Meine damalige Partnerin meinte zudem, dass ich schnarchen würde – das ist allerdings nie bewiesen worden.
Der erste Schritt war dann, der Wille mit dem Rauchen aufzuhören und das Wort „Schritte“ hat sich dann auch bis heute im Gehirn festgebrannt.
Wenn man sich mit der Thematik des Abnehmens befasst, stellt man sehr schnell fest, dass es ohne Bewegung und allein durch die Ernährung nicht geht. Es müssen mehr Kalorien verbrannt werden, als man zu sich nimmt. Das ist gar nicht so einfach. Mein damaliger Arbeitgeber hatte sich entschlossen, erstmalig am Weltgrößten Firmenlauf in Frankfurt teilzunehmen und damit war dann auch das erste Ziel klar abgesteckt. Ernährungstechnisch hatte ich angefangen nach Punkten zu essen und was die Bewegung anging, fing ich an „Schritte“ zu zählen.
Zum einen mit der WII und das dazugehörige Board zum anderen mit dem Schrittzähler für die Nintendo Spielekonsole. 5000 Schritt täglich waren das Ziel!
Aus den 5000 Schritten wurden 7000, aus den 7000 wurden 9000 – bis heute.
Heute ist mein tägliches Ziel 12345 Schritte, natürlich nicht mehr mit der Spielekonsole.
Man muss sich Ziele setzen
Parallel zu den Schritten zählen bin ich begeisterter Radfahrer geworden und habe mit der Radsportabteilung des TuS Griesheim eine großartige Gruppe gefunden. Die Pfunde fingen an zu purzeln und nur noch Schritte sammeln war zu wenig – denn die 5,6 km beim Firmenlauf wollen gelaufen werden.
Und so hatte ich mir einen ganz einfachen Lauftrainingsplan gesucht und auch gefunden.
Vom Gehen zu 30 Minuten Laufen am Stück in 12 Wochen.
Der mittlerweile vergilbte Zettel hängt heute noch am Kühlschrank. Hartnäckigkeit und Konsequenz waren gefragt, um den Lauftrainingsplan einzuhalten.
Die 5,6 km in Frankfurt wurden souverän gemeistert. Man wollte sich ja auch vor den Kollegen nicht blamieren. Mit Stolz trug ich am nächsten Tag das Finisher-Shirt auf der Arbeit. Die eigentlich vorgeschriebene Etikette wurde an diesem Tag von der Geschäftsführung außer Kraft gesetzt.
Von da an, gab es eigentlich kein Zurück mehr
Es gab auch damals schon sehr viele verschiedene Läufe im Rhein- Main-Gebiet. Aber eine Bedingung ist bis heute geblieben: Es muss ein Lauf mit einem Finisher-Shirt sein. Bis heute habe ich alle aufgehoben und könnte zu jedem einzelnen Shirt, die dazugehörige Geschichte erzählen.
Auch sind in der ganzen Zeit als nun Läufer unheimlich viele Freundschaften entstanden. Natürlich auch durch die Kommunikation in den verschiedenen sozialen Medien.
Dieses Jahr beim Halbmarathon in Venlo (NL) meinte jemand, so Läufe seien wie ein Klassentreffen. Das stimmt irgendwie.
Zurück zum eigentlichen Laufen.
Nachdem ich nun bewiesen hatte, dass ich die 5km laufen kann musste ein neues Ziel her. Ein 10er sollte es sein. Ich habe mir eine Veranstaltung herausgesucht, um ein Ziel vor Augen zu haben – gesucht, gefunden, angemeldet, trainiert und gelaufen.
Bis dahin lief nicht nur körperlich, sondern auch mental alles prima. Es kam die sportbegeisterte Nachbarin ins Spiel und es wurde zum Standard, dass wir sonntags gemeinsam gelaufen sind. Mit der Zeit wurde die Runde immer länger und auch die Ziele immer größer. Den ersten gemeinsamen 10er sind wir dann in unserer Heimatstadt Griesheim gelaufen.
Es folgten einige Läufe in der Region aber auch weiterhin das Verlangen noch eine Stufe weiter zu gehen und sich ein neues Ziel zu stecken.
Der erste Halbmarathon
Planungen für den ersten Halbmarathon wurden ins Auge gefasst. Die Idee reizte immer mehr und wir haben uns zusammen für den Halbmarathon im Rahmen des Weiltal- Marathon angemeldet.
Diesen wollte ich eigentlich nur auf „Probe“ laufen – gesund ankommen war unsere Devise.
Denn schon zwei Wochen später sollte es dann wirklich zur Sache gehen. Die weitläufige Verwandtschaft machte es möglich und so bin ich 2013 den Halbmarathon in Toronto gelaufen. Viele Halbmarathons sollten folgen aber das ganz große Ziel stand noch aus: ein Marathon.
Ein Mal im Leben einen Marathon laufen
Mein 50. Geburtstag fiel auf einen Sonntag, das kann kein Zufall sein. Für verrückte Ideen bin ich immer offen und so kam es, dass wir den Plan schmiedeten an meinem Geburtstag, egal wo es auf dieser Welt an dem Tag einen Marathon gäbe, dort hinfliegen würden, um unseren ersten Marathon zu laufen. Wir landeten in Rom!
Eine Stadt, die ich schon lange auf dem Plan hatte, allerdings nicht zum Laufen. Noch heute spüre ich die Kälte und die Nässe, die spätestens aufkam als wir in unserem Startblock auf den Start warteten und sich der Wolkenbruch über uns ergoss. Dann plötzlich hieß es: loslaufen. Uns war schon vor dem Start klar, dass es nicht um Bestzeiten ging, sondern um das gesunde Ankommen im Ziel und um Spaß. Das ist auch bis heute meine Devise. Ich habe mich schon eher zum Genussläufer entwickelt. Spaß muss es machen und das ist für mich das allerwichtigste.
Es folgten noch sehr viele Läufe. Von Luxemburg über das Allgäu nach Gelsenkirchen oder nach Berlin. Nebenbei bin ich lizensierter Trainer geworden, betreue Anfängergruppen und begleite diese zu ihren Zielen.
Mein derzeitiges Projekt: aus einer großen Laufgruppe vier Staffeln für den Mainova Frankfurt Marathon formen und die Betreuung einzelner Schützlinge bei ihren persönlichen Vorhaben.
Es geht also immer weiter, es gibt keinen Stillstand. Man muss es nur tun.
Und TUN ist eine Abkürzung.
Eine Abkürzung für
Tag
Und
Nacht